VIELFALT ALS DIFFERENZIERUNGS-FAKTOR?
WIE DIVERSITY DIE EMPLOYER BRAND VON IMMOBILIEN-UNTERNEHMEN STÄRKEN KANN
Prof. Dr. Carsten Baumgarth
Professor für Markenmanagement an der HWR Berlin. Er hat rund 400 Publikationen mit den Schwerpunkten Branding, B-to-B Marketing, Kulturmarketing und empirische Forschung veröffentlicht. Seine Forschung wurde wiederholt mit nationalen und internationalen Best Paper AWARDs ausgezeichnet.
Abb. 1: Dimensionen des Diversity-Managements (Quelle: Charta der Vielfalt 2023)
Festzuhalten ist, dass Diversity und damit verbunden Diversity-Management viel mehr Dimensionen als Geschlecht im Sinne von Frau und Mann mit Themen wie Gender-Pay-Gap, Frauenquote auf Führungs- und Top-Management-Ebene und „gläserne Decke“ umfasst.
Ein solch holistisches Diversity-Management macht aber nur Sinn, wenn es mit Vorteilen für das Immobilienunternehmen verbunden ist. Als Hauptgründe für ein Diversity-Management werden u.a. folgende genannt (z. B. Cox/Blake 1991):
(1) Einhaltung von Gesetzen und externen Anforderungen („Compliance“)
Ein Basismotivator für ein verstärktes Diversity-Management ist die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften oder anderen externen Regelungen. Beispielsweise schreibt das Sozialgesetzbuch vor, dass Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeiter:innen mindestens 5 % ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit einer Schwerbehinderung beschäftigen müssen. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungs-Gesetz (AGG), welches bereits seit 2006 in Deutschland in Kraft ist, schützt vor Antidiskriminierung im Arbeitsumfeld. Viel stärker noch werden aber die aktuellen Diskussionen und schon teilweise umgesetzten Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit auf nationaler und internationaler Ebene dazu führen, dass sich Immobilienunternehmen verstärkt mit Diversity beschäftigen müssen. So umfasst z. B. die aktuelle Fassung des „European Sustainability Reporting Standards (ESRS)“ unter anderem auch das Thema Diversity, wobei dieser schwerpunktmäßig auf die Themen Geschlecht und Alter reduziert wird. ESRS wird in naher Zukunft verpflichtender Standard der jährlichen Berichterstattung werden und damit müssen sich alle Unternehmen, auch Immobilienunternehmen, zumindest mit der Messung beschäftigen. Schließlich erhöhen auch die Investoren durch die verstärkte Berücksichtigung von ESG-Kriterien den Druck auf die Immobilienunternehmen. Nach einer weltweiten Befragung von Investoren durch PwC berücksichtigen mehr als Drei-Viertel aller Investoren mittlerweile ESG-Kriterien in ihren Investmententscheidungen, wobei Diversity als Teil des ESG-Katalogs nach Emissionsreduktion (Scope 1 und 2) sowie Arbeitnehmergesundheit und -sicherheit den dritten Platz in der Relevanzeinschätzung einnimmt (Chalmers et al., 2021). Diese externen Faktoren führen zu einer erhöhten Motivation sich mit Diversity-Management in Immobilienunternehmen auseinanderzusetzen. Allerdings handelt es sich dabei eher um eine reaktive und extrinsisch-motivierte Vorgehensweise als um einen strategischen Ansatz zur Differenzierung und Stärkung der Arbeitgebermarke.
(2) Innovation und Kreativität
Immer wieder zeigen wissenschaftliche Studien (z. B. Cox/Blake 1991; kritisch zum sog. Diversity-Innovation-Paradoxon z. B. Bassett-Jones 2005; Hofstra et al. 2020) und Branchenstudien, dass Diversity zu einer erhöhten Innovation und Kreativität führt. Wenn es sich auch nicht um eine kausale Studie handelt, zeigt die Diversity-Studie von PwC und ZIA (2019), dass Immobilienunternehmen, die sich als besonders fortschrittlich im Bereich Diversity-Management einschätzen, sich zu 59 % auch als innovativ beurteilen im Vergleich zu nur 18 % bei den Immobilienunternehmen mit einer geringen Diversity-Management-Reifegrad.
(3) Resilienz
In herausfordernden und dynamischen Zeiten wie aktuell, die auch immer wieder mit der Abkürzung VUCA umschrieben werden, ist die Resilienz ein entscheidendes Kriterium für gesunde und überlebensfähige Immobilienunternehmen. Dabei lässt sich Resilienz im Unternehmenskontext als die Fähigkeiten durch Innovationen bezeichnen, sich immer wieder im Zeitablauf zu verändern und zu erneuern. Die Forschung liefert sowohl theoretische als auch empirische Hinweise, dass Diversity einen positiven Impact auf die organisationale Resilienz hat (Yamauchi/Sato 2023; Duchek et al. 2020).
(4) Unternehmensperformance
Ein weiteres Argument für die unternehmerische Relevanz von Diversity ist der vermutete positive Einfluss auf die Unternehmensperformance. So ergab z. B. die schon erwähnt Studie von PwC und ZIA (2019), dass 56 % der Unternehmen mit hohem Diversity-Reifegrad angaben, dass ihr Umsatz überdurchschnittlich schnell wächst, von den Unternehmen mit niedrigstem Reifegrad gaben dies nur 26 % der Unternehmen an. Allerdings ist die Forschung zu dem Zusammenhang zwischen Diversity und Unternehmensperformance nicht eindeutig (z. B. Reis et al. 2007). Die Forschung geht vielmehr davon aus, dass dieser Zusammenhang nur existiert, wenn bestimmte Mediatoren und Moderatoren positiv wirken. U. a. werden als weitere Faktoren wie Konflikte(management), Integration und Kommunikation genannt (z. B. Reis et al. 2007; Inegbedion et al. 2020).
(5) Mitarbeitergewinnung und -bindung
Als letzter Grund für die Beschäftigung mit Diversity in Immobilienunternehmen wird der positive Einfluss auf die Bindung und Gewinnung von Personal genannt. Dieser ist zwar rein logisch Argumenten wie Unternehmensperformance vorgelagert und gehört daher nicht ans Ende dieser Auflistung, wird aber hier abschließend genannt, da dieser eine direkten Zusammenhang von Diversity and Employer Branding adressiert. In der Immobilienstudie von PwC und ZIA (2019) bestätigten die Unternehmen mit einem hohen Diversity-Reifegrad mit 72 % Zustimmung zur Mitarbeitendenzufriedenheit einen deutlich höheren Wert als die Unternehmen mit einem geringen Reifegrad (37 %). Diese Differenz ist auch die größte gemessene Differenz in der Studie. Die Relevanz der Mitarbeitendenbindung durch Diversity wird auch vor dem Hintergrund des Phänomens des „Conscious Quitting“ weiter steigen. In einer Studie in UK und USA gaben 35 % der Mitarbeitenden an, schon einmal ihren Job gekündigt zu haben, weil die eigenen Werte nicht mit den Werten des Unternehmens übereinstimmen. Bei den jüngeren Generationen fällt dieser Wert mit 48 % (UK) und 44 % (USA) noch höher aus (Polman 2023).
3. Diversity in der Immobilienwirtschaft: Viel Luft nach oben
Aufbauend auf den potentiellen Vorteilen von einem Diversity-Management wird nun der Stand des Diversity-Managements in der Immobilienbranche skizziert. In einem ersten deskriptiven Schritt wurde als „hartes“ Kriterium der Frauenanteil auf der Top-Führungsebene gemessen. Dazu wurden die Vorstände, Geschäftsführungen etc. aller Immobilienunternehmen ausgewertet, die in dem deutschen Ranking der Real Estate Value Study 2022 unter den jeweiligen Top 10 vertretenen sind (Steiner 2022). Insgesamt wurden 158 Immobilienunternehmen in der Auswertung berücksichtigt. Die Frauenquote beträgt aktuell 16 %. 58 % aller berücksichtigten Immobilienunternehmen haben auf der obersten Führungsebene überhaupt keine Frau. Diese Zahlen sind zunächst ähnlich den Frauenquoten der größten deutschen Unternehmen. Nach einer aktuellen Studie des DIW (Kirsch et al. 2023) weisen die TOP 100 Unternehmen in Deutschland eine Quote von 17,5 % (15,6 % in den Top 200) auf. EUROSTAT (2023) ermittelte für 2021 eine Frauenquote auf Führungsebene für Deutschland von 29 %. Damit lag Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Drittel. Die Rangliste wird angeführt von Lettland (45,9 %), Polen (43 %) und Schweden (43 %). Insgesamt bewegt sich die Immobilienbranche auf einem mit der deutschen Wirtschaft vergleichbaren im internationalen Vergleich aber niedrigem Niveau und kann daher durch diesen Faktor im Branchenwettbewerb auf dem Arbeitsmarkt keinen Vorteil erzielen.
Neben diesem Indikator liefert auch die Diversity-Studie von PwC und ZIA (2019) erste Hinweise darauf, dass die Immobilienbranche auch in Bezug auf die Implementierung des Diversity Managements (noch) keine Vorreiterrolle innehat. Diese Studie entwickelt ein sog. Reifegradmodell, welches die 138 befragten Immobilienunternehmen in Bezug auf das Diversity-Management eingruppiert. Wie Tabelle 1 zeigt, erreichen nach dieser Studie nur 2 % der Immobilienunternehmen den höchsten Reifegrad „strategisch integriert“.
Tab. 1: Reifegrad-Modell des Diversity-Managements in der Immobilienbranche (zusammengestellt aus PwC/ZIA 2019)
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