MÄRKTE IN AUFRUHR, PLAYER AUF TRANSFORMATIONSKURS

Die oberösterreichische Hauptstadt Linz entwickelt sich immer mehr zu einem interessanten Markt, wo Zuzug und Wohnungsangebot in einem vernünftigen Verhältnis stehen.
Das Umfeld für die Immobilienbranche war wohl selten zuvor so schwierig, wie es aktuell der Fall ist. Das eröffnet aber auch neue Chancen für eine Transformation, die bei den führenden Unternehmen längst im Gang ist.
Unsicherheit ist der gemeinsame Nenner für alle Player in allen Assetklassen. Zugleich bieten sich unter volatilen Rahmenbedingungen interessante Optionen. Die Transformation, die außen stattfindet, gilt es im Inneren der Unternehmen abzubilden. Wer dabei Qualitäten in der Anpassung zeigt und in Sachen Geschäftsmodell ebenso flexibel wie proaktiv agiert, könnte die Krise zur Chance umfunktionieren. Wie sich die Lage in den Teilsegmenten der Branche präsentiert, zeigen ein differenzierter Blick auf die Themenkapitel Wohnen, Projektentwicklung, Investment, Einzelhandel und Logistik.
Wenn der Neubau nicht dem Wohnbedarf folgt
Die steigenden Zinsen, die restriktiveren Kreditvergaberichtlinien, die hohe Inflation und die allgemeine Verunsicherung haben im zweiten Halbjahr zu einer deutlich niedrigeren Nachfrage bei Wohnimmobilien geführt, gleichzeitig ist das Angebot seit Jahresmitte um mehr als 30% gestiegen. „All diese Faktoren führen dazu, dass die hohen Preissteigerungen der letzten Jahre vorerst zu Ende sind“, fasst Bernhard Reikersdorfer, Managing Director von RE/MAX Austria, das Jahr 2022 und die Aussichten für 2023 zusammen.
Allerdings wird der Wohnungsmarkt regional sehr differenziert ausfallen und maßgeblich durch das Angebot am Markt beeinflusst. Regionen mit einem knappen Angebot an verfügbaren Eigentums- und Mietwohnungen haben mit einem sehr hohen Preisniveau zu kämpfen. So sind etwa Salzburg und Innsbruck mit der massiven Herausforderung der Schaffung von Wohnraum konfrontiert. Linz entwickelt sich immer mehr zu einem interessanten Markt, wo Zuzug und Wohnungsangebot in einem vernünftigen Verhältnis stehen.
Definitiv führt die Verschärfung der Kreditrichtlinien zu einem verstärkten Ausweichen von Kaufinteressenten auf Miete. Zu sehen ist eine zunehmende Herausforderung für die erfolgreiche Platzierung von Eigentumswohnungen, wo längere Vermarktungszeiten zu erwarten sind, als dies bislang der Fall war.
Die dynamischen Preissteigerungen mögen zu Ende sein, „aber mit dramatischen Einbrüchen wird nicht gerechnet“, erwartet Peter Weinberger, Sprecher Raiffeisen Immobilien Österreich. Dazu stehen viel zu viele Faktoren dagegen. Jasmin Soravia, geschäftsführende Gesellschafterin bei Kollitsch & Soravia Immobilien: „Die Baukosten sind nach wie vor hoch, die Grundstückspreise haben sich auch noch nicht wesentlich nach unten bewegt und die Zinsen sind wahrscheinlich auch noch nicht am Zenit angelangt.“ Das wird die Situation weder am Eigentumsmarkt noch am Mietmarkt erleichtern, eher ganz im Gegenteil, meint Jasmin Soravia: „Wohnraum wird jedoch weiterhin benötigt werden, und einige Bauträger haben teilweise die Bautätigkeit ein- bzw. rückgestellt, was à la longue zu einer Verknappung führen wird.“
Wie stark die Verknappung sein wird, wird, zeigen die Daten von EHL/WKO/Exploreal. „Letztes Jahr wurden in Wien 16.230 Wohnungen im Neubau fertiggestellt und dieses Jahr rechnen wir mit 16.000“, erklärt Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnen. Das Angebot geht zwar schon zurück, aber enger wird es nächstes Jahr: „2024 rechnen wir mit 12.000 Wohneinheiten und 2025 kommen nur noch 7500 Wohnungen.“
Die Themen Energie und Leistbarkeit werden 2023 und darüber hinaus den Immobilienmarkt prägen. Der Trend zu funktionalen Grundrissen und modernen Energie- und Heizsystemen als „must have“ wird sich daher weiter fortsetzen. Auf den Neubau kommen folglich enorme Herausforderungen zu.
Projektentwicklung: Zwei Seiten der Medaille
Die Projektentwicklung 2023 ist von großen Unsicherheiten geprägt. Insbesondere die Entwicklung der Materialkosten ist durch die globalen Verwerfungen schwierig einzuschätzen. Auch die Baupreise sinken nur langsam wieder. „Wir gehen deshalb davon aus, dass 2023 ein eher schwaches Jahr für neue Projekte wird“, so VÖPE-Geschäftsführer Sebastian Beiglböck. Die Unternehmen, die derzeit nicht bauen, legen ihren Fokus unter anderem darauf, sich ESG-fit aufzustellen und entsprechende Prozesse im Unternehmen zu implementieren. In der VÖPE nützt man die Zeit, um mit den Mitgliedern an branchenübergreifenden Standards zu arbeiten, „indem wir Wissen und Know-how zum Thema bündeln“, so Sebastian Beiglböck.
„Das Jahr ist in zwei Bereichen sehr herausfordernd“, erklärt Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult. Einerseits ist die neue Finanzierungslandschaft mit hohen Zinsen und hoher Inflation nicht nur ein Preistreiber für die Baukosten, sondern auch für die Bedingungen der Finanzierungen selbst. Das betrifft höhere Eigenkapitalanforderungen und geringere Laufzeiten der Kredite wegen geringerer Tilgungsanteile, bedingt durch die höheren Zinsen. Anton Bondi: „Für viele Entwickler wird das dazu führen, dass sie Projekte entweder auf die lange Bank schieben oder überhaupt nicht mehr realisieren können.“ Andererseits ist auch die Verunsicherung bei potentiellen Mietern relativ hoch, die langfristige und kostenintensive Entscheidungen oftmals scheuen.
Aufgrund der hohen Inflation und der aktuellen Energiepreise achten Nutzer verstärkt auf die Energiebilanz ihrer Immobilien. „Auf diesen Bedarf zu reagieren ist auch eine Herausforderung für die Immobilienbranche“, sieht Heinz Fletzberger, Vorstand SÜBA AG ebenfalls etwas Positives. Die SÜBA AG entwickelt zwei Leuchtturmprojekte, die sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass alle verfügbaren Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energie eingesetzt werden, um die Energieausgaben möglichst niedrig zu halten. Heinz Fletzberger: „Wir sehen uns als Pioniere in der Entwicklung ressourcenschonender Immobilienprojekte. Wir möchten die Integration moderner Technologien weiter vorantreiben und beschäftigen uns derzeit mit dem Einsatz von Wasserstoff und von Salzwasserbatterien in unseren Gebäuden, um die Umwelt weiter zu entlasten.“
Investment: In der Findungsphase
Man kann der aktuellen Situation auf dem Investmentmarkt auch etwas Gesundes abgewinnen, da die – im Grunde absurde – Negativzinsphase der letzten Jahre auf den Finanzmärkten zu kritischen Entwicklungen in Teilbereichen des Immobilienmarktes geführt hatte. „Generell läuft jetzt am Immobilienmarkt eine Preisfindungsphase ab, ähnlich wie an der Börse. Erst wenn sich die Preisniveaus bei Nachfrage und Angebot wieder näherkommen, gibt es ausreichend Transaktionen“, meint Wolfgang M. Fessl, geschäftsführender Gesellschafter bei Reinberg & Partner Immobilienberatung. Diese Preisfindungsphase kann aber noch bis Sommer dauern. Die Entwicklung führt in jedem Fall zu einer Spreizung der Renditen, so Stefan Brezovich, Vorstand der ÖRAG: „Die Renditen für Trophy-Assets in Toplagen haben sich minimal erhöht, während Objekte in mäßigen Lagen und mit Risiken in der Mieterstruktur mit größeren Preisabschlägen gehandelt werden.“
Die Entwicklung des Investmentmarktes wird wohl 2023 maßgeblich von der weiteren Zinspolitik der EZB bestimmt sein. „Wenn die EZB ihre Ankündigung wahrmacht, der hohen Inflation entschlossen entgegenzutreten, ist noch mit mehreren Zinsschritten im Euroraum zu rechnen“, so Stefan Brezovich. Diese Zinsentwicklung bewirkt naturgemäß die Erwartung steigender Renditen auf den Immobilienmärkten: „In mittleren und mäßigen Lagen ist dies bereits der Fall.“
In den nächsten Monaten werden überwiegend Transaktionen zwischen Verkäufern, die langfristig noch höhere Renditen und somit sinkende Verkaufspreise erwarten, einerseits, und Käufern, die über eine hohe Liquidität verfügen, andererseits stattfinden. „Derartige Transaktionen finden auch aktuell statt“, so Stefan Brezovich: „Überwiegend mit heimischen Beteiligten.“ Die aktuelle Situation macht aber den Markt auch enger, wie Manfred Wiltschnigg, Geschäftsführer von Galleon Capital Management bemerkt: „Der Markt ist kleiner und intransparenter geworden. Es war im letzten Jahr so, dass jeder alles auf den Tisch hatte. Mittlerweile läuft wieder vieles in bilateralen Gesprächen im kleinen Kreis.“
Einzelhandel: Wo wir einkaufen
Der Einzelhandel ist weiterhin mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Die gestiegenen Energiekosten, die Inflation und der Fachkräftemangel setzen ihm zu. Andererseits ist der Anteil des Online-Handels am Gesamtumsatz im Handel 2022 gegenüber den Vorjahren rückläufig. Handel im Netz verliert zum ersten Mal seit Jahren, und die Umsätze sind real um 7,8% und nominell um 3,2% zurückgegangen. „Die Menschen haben sich darauf gefreut, nach Covid wieder shoppen zu gehen“, so Stefan Goigitzer, Geschäftsführer von Coore-GC Real Estate, gibt aber zu bedenken: „Wie lange dieser Effekt anhalten wird, bleibt abzuwarten.“ Derzeit zeigt sich bei Handelsimmobilien eine konträre Entwicklung. „Die Nachfrage nach neuen Flächen ist stabil, vor allem aus dem Luxussegment, aber auch die Nachfrage von neuen interessanten Brands ist vorhanden“, so Stefan Goigitzer. In den A-Lagen sei die Nachfrage ungebrochen. „In B- und C-Lagen geraten Retailer allerdings weiter unter Druck und erhöhte Leerstände sind die Folgen“, stellt Elisa Stadlinger, Leitung Gewerbeimmobilien ÖRAG fest: „Hier benötigt es kreative neue Konzepte und auch einen guten Branchenmix, um Nebenstraßen erneut attraktiv zu machen.“
Die Standorte werden einer genaueren Prüfung unterzogen, weiter gibt es Unklarheiten über Lieferzeiten, die sich von Geschäftsausstattung bis hin zu Verkaufsprodukten ziehen. Die steigenden Kosten lassen auf jeden Fall ein Segment weiter erstarken: Diskonter bleiben gefragt und erweitern ihr Filialnetz auch im kommenden Jahr ungebremst. Nicht nur diese expandieren, beobachtet Stadlinger: „Die Situation schafft allerdings auch die Möglichkeit für ein Umdenken bzw. Neudenken von Retail-Objekten. Die Folge ist der Markteintritt von spannenden neuen Konzepten, die das Shopping für KonsumentInnen zu einem Erlebnis macht.“
Logistik: Flächen bleiben ein knappes Gut
Der Flächenumsatz übersteigt die eigentliche Fertigstellungsleistung bereits seit Jahren. Neue, moderne Flächen werden daher dringend benötigt. 2022 hat sich der Trend in Österreich fortgesetzt, dass faktisch jede Logistikfläche in Bau bereits vor der Fertigstellung vermietet wurde - und dies mit namhaften Unternehmen und langen soliden Mietverträgen. „Es hätte noch weitaus mehr vermietet werden können, wäre mehr an modernem Produkt fertiggestellt worden“, erklärt Felix Zekely, Geschäftsführer von OPTIN Immobilien: „Grundsätzlich gab es für jede Fläche mehrere Interessenten.“
Daran ändert sich auch 2023 nichts. Entwicklung und Anmietungen werden aber immer komplexer. Nicht nur aufgrund des Wettbewerbs zwischen den potentiellen Mieter, sondern insbesondere aufgrund der öffentlich-rechtlichen Genehmigungsprozesse. Es macht eben für die Gemeinden und Anrainer einen großen Unterschied, ob sich ein österreichisches Vorzeigeunternehmen ansiedelt und in der Anlage wertsteigernde Prozesse mit vielen Arbeitskräften ausübt, oder ob es sich um reine Umschlagslager handelt, bei denen in der Regel nicht viel Personal benötigt wird und viel Verkehrsaufkommen entsteht.
Eine Novelle zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wird 2023 schlagend und erschwert in Zukunft die Errichtung. Die Schwellenwerte wurden so drastisch reduziert und das Mitspracherecht so erheblich erweitert, dass jedes mittelgroße Logistikimmobilienprojekt sicherlich durch eine UVP laufen muss. „Die Genehmigungsphasen für Projekte werden damit zeitlich unabsehbar“, so Felix Zekely: „Ich sehe darin auch eine gewisse Entmachtung der Länder. Es handelt sich ja um ein Bundesgesetz.“ Die Projekte, die im Laufen sind, profitieren von der Verknappung der Flächen, die durch die Verzögerung der Entwicklung eintreten wird.
Nachdem die Grundstücke ausgehen, weil es aktuell keine Neuwidmungen gibt, orientieren sich viele Entwickler Richtung Brownfield-Development. Außerdem treibt der Anstieg der Energiekosten den Nachhaltigkeitsgedanken bei Entwicklern und Nutzern stark voran. Der Einbau von alternativen und nachhaltigeren Heizungssystemen sind ein Werkzeug, um den hohen Kosten entgegenzuwirken. Aber auch die Flächenversiegelung wird immer mehr ein Thema. „Das Thema Bodenversiegelung ist nicht wegzudiskutieren, und die Lösung liegt hier für uns in der Höhenentwicklung“, erläutert Atmira-Österreich-Geschäftsführer Stefan Würrer. Je nach Gebäudezweck könne man mehrstöckige Lösungen herstellen, wie es auch in Asien üblich ist.

Die Projektentwicklung 2023 ist von großen Unsicherheiten geprägt. Insbesondere die Entwicklung der Materialkosten ist durch die globalen Verwerfungen schwierig einzuschätzen. Für viele Entwickler wird das dazu führen, dass sie Projekte entweder auf die lange Bank schieben oder überhaupt nicht mehr realisieren können.

Die Nachfrage nach neuen Handelsflächen ist stabil, vor allem im Luxussegment, aber auch die Nachfrage von neuen interessanten Brands ist vorhanden. In B- und C-Lagen geraten Retailer allerdings weiter unter Druck und erhöhte Leerstände sind die Folgen.
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