DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT
Prof. Dr. Thomas Beyerle
Catella Property Valuation GmbH
Hochschule Biberach a.d.R.
© Catella
Immer erscheinen die aktuellen Umwälzungen und Herausforderungen die größten, welches es jemals gab. Doch, stimmt das? Gefühlt mag das sein, in der nüchternen Welt der rationalen Analyse jedoch ein klares Nein. Denn letztlich kommen 99% der „plötzlichen“ Ereignisse mit Ansage, „man hätte es sehen können“ wird dann gerne als Erklärung des retrospektiven Versagens angeführt. Dabei geht es weniger um das Wissen selbst, sondern um die Vorstellungskraft, welche Wirkungen bzw. sich Konsequenzen daraus erwachsen. Vor allem in welchem Zeitraum. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, erschient im Februar 2022 als plötzliches Ereignis, doch folgte einem langfristigen Plan, wie wir uns heute eingestehen müssen, weil wir es uns nicht vorstellen wollten bzw. auch konnten. Eine Konsequenz: ein nicht geplantes Ereignis auf die Wohnungsmärkte der Nachbarländer. Das Auftreten einer globalen Pandemie und deren Wirkungen, auch auf die Immobilienmärkte, lag zwar als „Eintrittswahrscheinlichkeit <1%“ in den Schubaden vieler Institutionen (spätestens seit der Influenza-A-Virus H5N1 - auch unter dem Begriff „Vogelgrippe“ bekannt) doch die Wirkungen wurden völlig unterschätzt. Die Kausalkette „Pandemie – Homeoffice - Logistikboom“ hatten die Wenigsten auf dem Schirm. Weitere Beispiele die „plötzlichen Charakter“ hatten ließen sich anführen. Lehmann-Pleite, IPhone Revolution, Wärmepumpen Hausse etc.
Auf die Immobilienmärkte bezogen, erleben wir oftmals, aufgrund des eher trägen Charakters von Immobilien als Vermögensgegenstand, leider eine ähnliche Unterschätzung der Wirkungen. Ehrlicherweise liegen diese Probleme-Lösungen-Bündel aber auf dem Tisch: Demographischer Wandel, Urbanisierung, Klimaveränderungen oder Digitale Transformation. Jeder hört davon täglich, doch dann? Die geforderte bzw. erwartete Problemlösung erwächst dann zum „unlösbaren Problem“, wenn man nur punktuelle, ad hoc Maßnahmen erwartet. Den vernetzten Charakter der Problem-Lösung-Spirale sehen die Wenigsten. Deshalb sollte – bis auf wenige dringende, oftmals soziale-ökonomische Probleme – besser an einem Masterplan gearbeitet und dieser systematisch angepasst werden, als siloartige Superlösungen zu erbringen.
Auf die Immobilienwirtschaft bezogen, ist damit der Fokus auf das zukünftige Leben in der Stadt (zunehme Urbanisierung, Hitzeinseln, soziale Wohnraumversorgung etc.) gemeint, denn auf das simple „Bauen, da es eine Nachfrage gibt“. Die Lösung? Liegt seit Jahrzehnten auf dem Tisch: aktuell mit dem Modell der sog. „15-Minuten Stadt“ umschrieben, zuvor als „digitale Stadt“, als „grüne Stadt“ und lange davor als „autogerechte Stadt“. Diese Aufzählung verdeutlich zweierlei: Systeme und Wertmaßstäbe können und sollten sich ändern, die Geschwindigkeit der Veränderungen bzw. Anforderungen nimmt fast schon exponentiell. Deshalb ist „die Digitalisierung“ für die Immobilienwirtschaft eher als notwendige Querschnittsfunktion zu sehen, denn als singuläres Ziel (wenngleich man hier sicher deutlich aktiver werden kann.
Dass es die Lösung der Probleme nicht gibt, liegt auf der Hand, doch wenn über Klima, Bezahlbarkeit und Wohnraumverknappung diskutiert und agitiert wird, darf nicht übersehen werden, dass innerhalb eines Radius von 15 Fahr-/Geh-Minuten idealerweise die wesentlichen Infrastrukturen Einzelhandel, Ärzte, Naherholung, Bildung und Gastronomie/Kultur und zu finden sind. Der Weg dorthin? Nicht so weit weg, wie man glaubt. Doch dazu gehören eben auch neue Umsetzungskoordinaten vor welcher „die Politik“ gerne zurückschreckt, da eben zu kurzfristig agiert wird: Entrümpelung der Baugesetze, flexible Anpassung von Bau Standards, Weg von Förderpolitiken, geringere Marktregulierung, klarere Preisschilder, Definition vn sozialem Wohnraum etc. Damit in den Wahlkampf zu ziehen – vor allem mit allen Maßnahmen in der Gesamtwirkung – traut sich kaum ein politisch Verantwortlicher. Doch dieses Zurückhaltung sollte für die Immobilienbranche Motivation genau sein, Probleme zu lösen und eben den branchenübergreifenden Blick zu haben. Damit lassen sich „die Probleme“ von heute und morgen zumindest managen und die „Plötzlichkeit“ etwas reduzieren. Idealerweise sogar lösen.
Prof. Dr. Thomas Beyerle
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