FRANZÖSISCHE SEHNSUCHT NACH ERHOLUNG

Vor allem die Anmietungen von Büros mit einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratmeter trugen direkt zu der guten Büro-Performance des Marktes in der Region Paris bei (Im Bild: Büroviertel La Défense). 

2022 stand unter dem Zeichen der Rückkehr zur Normalität. So ganz im Gleichgewicht scheint der französische Immobilienmarkt aber noch nicht zu sein, wie ein recht dramatischer Einbruch des Investitionsvolumens Ende letzten Jahres zeigt.  

Auf dem französischen Immobilienmarkt wird das Jahr 2022 als jenes eingestuft, das nach der Pandemie den Beginn einer Wiederherstellung des Gleichgewichts markiert. 2023 soll die neue Balance weiter stärken. Das zeigt sich beispielhaft am Wohnmarkt. Trotz der immer noch ungünstigen Situation für den Kauf einer Immobilie hat sich der Anteil der Franzosen, die mit einem Objektkauf liebäugeln, stabilisiert. Laut einer Untersuchung des französischen Online-Immobilienbewerters Drimki geben aktuell 16 Prozent an, in den nächsten 12 Monaten ein Immobilienprojekt zu planen.  

Die Auswertung der Portaldaten zeigt dabei, dass sich im letzten Jahr das Profil der Käufer verändert hat. Wurden Anfang des Jahres noch 44 Prozent an Erstkäufern registriert, so waren es Ende 2022 nur noch 33 Prozent. Signifikant gestiegen ist im Gegenzug der Käuferanteil der Investoren. „In Krisenzeiten ist es nicht ungewöhnlich, dass Anleger ihr Engagement an der Börse reduzieren und stattdessen in Immobilien investieren  - was die Veränderung der Käuferprofile Ende 2022 erklären kann", kommentiert dies Olivier Colcombet. 

 

Wohnmarkt: Energie und Finanzierung im Fokus 

Zu einer Herausforderung wird wie fast überall in Europa die energetische Sanierung des Wohnbestands. Das hat nicht zuletzt mit der Gesetzgebung zu tun. Seit Ende August 2022 dürfen in Frankreich Vermieter von Wohnungen mit schlechten Energiewerten die Mieten nicht mehr erhöhen, und seit dem 1. Januar 2023 ist die Vermietung von Häusern mit besonders schlechten Werten (Verbrauch von mehr als 450 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr) verboten. In den nächsten Jahren werden diese Regelungen ausgeweitet, sprich die Grenzwerte herabgesetzt. Das bringt Bewegung in den Markt. Eine Vielzahl an Eigentümern werden dazu tendieren, ihre Immobilie zu verkaufen, da energetischen Sanierungen langwierig, komplex und kostspielig sind. Das könnte sich auf die Preise auswirken, die das aktuelle Niveau wohl nicht halten können. 

Harte Zeiten brechen zweifellos in Sachen Finanzierung an. Rigide Bankvorschriften im Verbund mit schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bremsen aktuell spürbar die Kauflust der Franzosen. Steigende Kreditzinsen tun das Übrige dazu. Während der durchschnittliche Zinssatz für Immobilienkredite vor rund einem Jahr noch bei 1,06 Prozent lag, so ist er Ende 2022 auf 2,25 Prozent und 2023 bereits auf 3,57 Prozent gestiegen (Letzteres für festverzinsliche Kredite mit einer Laufzeit von 20 Jahren). In Frankreich wird die Zinsobergrenze für Immobilienkredite übrigens einheitlich von der französischen Zentralbank festgelegt. Sie liegt maximal ein Drittel über dem durchschnittlichen effektiven Zinssatz, der im Laufe des vorangegangenen Quartals von Kreditinstituten für alle Immobiliendarlehen gleicher Art angewandt wurde. 

„2023 wird spannend. Wir erwarten zwar keinen Sturm  - weder was das Transaktionsvolumen, noch was die Preisentwicklungen  betrifft  -, aber eine raue Brise. Auf der einen Seite haben wir noch die Knappheit des Angebots und auf der Käuferseite schwierige finanziellen Bedingungen“, sagt Colcombet und fügt fragend an: „Wäre hier nicht eine Tür für den Regulierer offen, um Franzosen in dieser angespannten Zeit zu unterstützen?“ 

 

Gewerbeimmobilien: Augenmerk auf Paris 

Auch der Markt für Gewerbeimmobilien hat in den letzten Jahren die Auswirkungen der Covid-19-Krise und der Inflation zu spüren bekommen. Überall in Frankreich und insbesondere in den Provinzen war der Markt für Gewerbeimmobilien von einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage betroffen. Die Verkäufe stiegen praktisch explosionsartig an, während die Nachfrage einbrach. Die direkten Folgen waren ein deutlicher Preisrückgang in ganz Frankreich – wobei die Stadt Paris der Gesundheitskrise und dem Preisanstieg merklich besser standgehalten hat als andere Ballungsräume. Trotz eines durchschnittlichen Rückgangs der Marktwirtschaft um bis zu acht Prozent seit 2020 behauptet Paris seinen ersten Platz mit einem hohen Investitionspotenzial, wenn auch mit regionalen Unterschieden. So verzeichnete das linke Ufer der Hauptstadt beispielsweise einen stärkeren Rückgang der Nachfrage als das rechte Ufer. Experten erklären dies sich durch einen Mangel an attraktiven Einkaufsmöglichkeiten links der Seine und somit eines schwächeren touristischen Potenzials. Generell ist Frankreich durch einen sehr heterogenen Gewerbeimmobilienmarkt gekennzeichnet, der sich auf die Einzugsgebiete der Städte konzentriert. Nur sechs Prozent der Transaktionen von Gewerbeimmobilien finden außerhalb dieser Einzugsgebiete statt. 

Wie gut Paris die Krisen der letzten Jahre gemeistert hat, zeigt sich beispielhaft auf dem Büromarkt. „Vor allem die Anmietungen von Büros mit einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratmeter trugen direkt zu der guten Performance des Marktes in der Region Paris bei“, bemerkt dazu Guillaume Raquillet, Leiter der Niederlassung Büro bei Knight Frank France, fügt aber einschränkend an: „Mit einem Volumen von fast 710.000 Quadratmetern, was einem Anstieg von 25 Prozent im Jahresvergleich entspricht, spielen diese Flächen jedoch eine weniger entscheidende Rolle als vor dem Ausbruch der Gesundheitskrise  - was die Auswirkungen der Telearbeit und der Rationalisierungspolitik der Unternehmen auf den Verbrauch von Büroflächen bestätigt.“ Paris profitiere auch von der Nachfrage der in der Peripherie angesiedelten Unternehmen, die bei ihrem Umzug in die Hauptstadt die höheren Immobilienkosten durch eine manchmal drastische Reduzierung der gemieteten Flächen ausgleichen. 

2022 war übrigens ebenfalls ein gutes Jahr für Bildungsimmobilien. So setzten Handelsschulen und große private Konzerne ihre Expansion in der Ile-de-France fort, die von der steigenden Zahl der Studierenden getragen werden. In der Region wurden im Vorjahr fünf Transaktionen mit einer Fläche von mehr als 5.000 Quadratmeter registriert.  

 

Handel: Phygitalisierung im Vormarsch 

Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass 2023 die Haushaltsausgaben unter dem Einfluss von Inflation und bescheidenen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen eher stagnieren werden. Die sinkende Kaufkraft begünstigt bereits seit einigen Jahren die Abwanderung der Verbraucher in den Discountbereich. So ist seit 2019 die Anzahl der Geschäfte von sechs großen Discountmarken (Action, StokomaniCentrakorGifi, B&M und Normal) in Frankreich von 1 540 auf etwas mehr als 2 000 steigen, was einem Anstieg um 33 % in diesem Zeitraum entspricht. „Die Discountmarken sind nicht die einzigen, die wachsen. Die Expansionspläne bleiben auch in anderen Bereichen dynamisch, insbesondere in der Gastronomie: Von den rund 170 bedeutenden Entwicklungsprojekten, die wir für das Jahr 2022 ermittelt haben, betrifft fast ein Drittel die Gastronomie  - getragen vom Erfolg der Schnellrestaurants und des Franchisemodells", bemerkt zum Thema Antoine Salmon, Leiter der Abteilung für vermietete Einzelhandelsimmobilien bei Knight Frank Frankreich. 

Laut Salmon werden im Jahr 2023 die Auswirkungen der verschiedenen Belastungen für die Einzelhändler auf den Einzelhandelsmarkt erheblich sein: „Diese Belastungen werden einige Akteure schwächen und die Einzelhändler dazu veranlassen, ihre Immobilienkosten neu zu verhandeln. In den kommenden Monaten werden sich die Rationalisierungsmaßnahmen beschleunigen. Das wird zweifellos zu mehr Schließungen führen, da die Einzelhändler sich von den am wenigsten erfolgreichen Geschäften trennen wollen.“ 

Dass Geschäftsflächen trotz eCommerce-Booms ein zentraler Bestandteil der Einzelhandelsstrategien bleiben, davon ist Salmon überzeugt. „In einem zunehmend globalisierten und wettbewerbsintensiven Marktumfeld ist das Geschäft ein wesentlicher Hebel für Kundenbindung, Kundenkenntnis und Differenzierung, der es zudem ermöglicht, ein Angebot zu machen, das weit über den reinen Verkauf von Produkten hinausgeht.“ Das bedeutet freilich nicht, dass alles unverändert bleibt. „Angesichts der steigenden Kosten und des wachsenden Anteils der Online-Verkäufe gewinnt der Trend zu „weniger, aber besser" an Bedeutung und veranlasst einige Marken, ihre Investitionen auf eine geringere Anzahl von Geschäften zu konzentrieren. Der Fokus wird auf jene Läden gerichtet, die den neuen Erwartungen der Verbraucher und der Phygitalisierung des Handels, also der Fusion von on- und offline, besser gerecht werden“, prognostiziert Salmon.  

Und wieder ist es Paris, das vorzeigt, wie attraktiv Einzelhandelsimmobilien noch sind. „Im Jahr 2022 wurden in der Hauptstadt 38 Luxusboutiquen eröffnet, fünf mehr als 2021 und neun mehr als 2020. Es wurden insbesondere emblematische Projekte wie das von Cartier in der 13 Rue de la Paix, von Dior in der 30-32 Avenue Montaigne oder von Chanel in der 21 Rue du Faubourg Saint-Honoré eingeweiht. Dieser Trend wird sich 2023 und 2024 fortsetzen, wie die erwarteten Eröffnungen von YSL in der Avenue des Champs-Elysées und der Avenue Montaigne oder von Gucci und Alexander Mcqueen in der Rue Saint-Honoré", erklärt Antoine Salmon. Auch die steigende Zahl der Neuzugänge ausländischer Marken zeuge von der Attraktivität des Pariser Marktes. Von den 44, die 2022 in Frankreich gezählt wurden, ließen sich 30 in der Hauptstadt nieder, gegenüber 26 im Vorjahr  - und zwar in verschiedenen Sektoren, wie Mobilität, Dekoration, Gastronomie und vor allem Bekleidung. 

 

Investments: Warten auf die Korrektur 

Drei Quartale lang waren 2022 die Transaktionsvolumina auf dem französischen Immobilienmarkt stetig gestiegen – bis der Einbruch kam. Laut Marktbericht von Knight Frank wurden im vierten Quartal 5,1 Milliarden Euro in Frankreich investiert, was einem Rückgang von 54 Prozent (!) im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2021 entspricht. „Der Rückgang der Aktivität ist im Segment der großen Transaktionen besonders deutlich. Ungewöhnlich ist, dass nur eine Minderheit der großen Deals Ende 2022 in der Ile-de-France unterzeichnet wurden“, bemerkt dazu Antoine Grignon, Leiter der Abteilung für Investment bei Knight Frank France.  

Die schlechteste Performance seit 2013 verzeichnete im Vorjahr der Bürosektor. Während sie im Schnitt der letzten zehn Jahre durchschnittlich 67 Prozent des gesamten Investitionsvolumens auf dem französischen Markt für Gewerbeinvestitionen auf sich vereinten, fiel ihr Anteil im letzten Jahr auf 54 Prozent. Die Stärke des Pariser Marktes steht dabei im Gegensatz zu der Schwäche in den meisten Randgebieten. Gemäß der Knight Frank Zahlen hat die Kapitale ihren Anteil am Investitionsvolumen 2022 von 45 Prozent in der letzten Dekade auf fast 60 Prozent im Vorjahr gesteigert. 

Anders als im Bürosektor konnte der Bereich der Industrieimmobilien bei den investierten Summen 2022 das zweitbeste Ergebnis der Geschichte verzeichnen. Wie schon 2021 spielte die Logistik den Antreiber. Die stetig wachsende Bedeutung des eCommerce wird das Interesse der Investoren an Anlagen für die letzte Meile weiter befeuern. Von einer Zunahme des Interesses der Investoren ist auch bei Rechenzentren auszugehen, was sich mit dem stark steigenden Bedarf an Datenspeichermöglichkeiten erklärt. 

Da die finanziellen, wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen weiterhin sehr unsicher sind, ist es schwierig vorherzusagen, wann eine Totalerholung am Investmentmarkt eintreten wird. „Sollten die Marktbedingungen in der zweiten Jahreshälfte 2023 günstiger werden, würde sich dies angesichts der höheren Selektivität der Investoren und der längeren Verhandlungsdauer wahrscheinlich erst 2024 im Gesamtvolumen der investierten Immobilien niederschlagen“, prophezeit Antoine Grignon und fügt an: „Die Erholung, wenn sie denn kommt, wird wahrscheinlich sehr ungleichmäßig verlaufen und in erster Linie den Anlageklassen zugutekommen, die am stärksten unter Druck geraten sind, jenen, die den Diversifizierungsstrategien der Investoren entsprechen, sowie jenen Objekten, die am besten auf die Nachfrage der Nutzer zugeschnitten und umweltfreundlich sind.“ 

Von den rund 170 bedeutenden Entwicklungsprojekten, die in Frankreich für das Jahr 2022 ermittelt haben, betrifft fast ein Drittel die Gastronomie  - getragen vom Erfolg der Schnellrestaurants und des Franchisemodells. 

Der Bereich der Industrieimmobilien hat bei den investierten Summen 2022 das zweitbeste Ergebnis der Geschichte verzeichnet. Wie schon 2021 spielte die Logistik den Antreiber. Die stetig wachsende Bedeutung des eCommerce wird das Interesse der Investoren an Anlagen weiter befeuern. 

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